Konjunktur: Chemie-Industrie im tiefgreifenden Wandel
Die wirtschaftliche Entwicklung der chemisch-pharmazeutischen Industrie war geprägt von geopolitischen Krisen, weiteren Rückgängen in der Produktion und einer umfassenden und anhaltenden Transformation. Speziell im Pharma-Bereich gab es weiterhin Sondereffekte. Die Industrie und besonders die chemische Industrie sind wesentliche Treiber des Wohlstandes in Rheinland-Pfalz. Aufgrund des Abwärtstrends in der Industrie bildete Rheinland-Pfalz 2023 das Schlusslicht in der wirtschaftlichen Entwicklung aller deutschen Bundesländer. So nahm das Bruttoinlandprodukt preisbereinigt um 4,9 Prozent ab (Deutschland: minus 0,3 Prozent) und auch die Wirtschaftsleistung entwickelte sich in Rheinland-Pfalz schwächer.
Chemie-Entwicklung mit Abwärtstrend
Die chemische Industrie ist die umsatzstärkste Industriebranche in Rheinland-Pfalz. Insgesamt erwirtschafteten die Betriebe im Jahr 2023 rund 28,5 Milliarden Euro und mussten damit einen Umsatzrückgang von 23 Prozent verbuchen. Dies ist begründet in gesunkenen Energiepreisen, die an die Kunden weitergegeben werden mussten. Allerdings haben die Betriebe auch rund 1/3 weniger Aufträge erhalten und 1/5 weniger produziert. Diese beschriebene negative Entwicklung trifft die ganze Branche. Alle Sparten haben nach der amtlichen Statistik im Jahr 2023 einen Rückgang der Produktionsmengen erlitten.
Volle Auftragsbücher sind ein Versprechen auf eine bessere Entwicklung. Jedoch lagen die Auftragseingänge der chemisch-pharmazeutischen Industrie fast zwei Jahre am Stück jeden Monat niedriger als jeweils ein Jahr zuvor.
Da auch bereits 2022 die Zahlen rückläufig waren und Rheinland-Pfalz eine deutlich schlechtere Entwicklung im Vergleich zum Bundesdurschnitt vorweist, führte dies bereits zu Anlagenstillegungen, Stellenstreichungen und Umstrukturierungen.
Die ersten beiden Monate im Jahr 2024 gingen der Chemie-Umsatz um fast 10 Prozent und die Chemie-Produktion um rund 11 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten zurück. Einen Peak nach oben verzeichneten die Auftragseingänge mit rund 8 Prozent. Ob dies eine Trendwende ist oder ein regelmäßig zu erkennender Trend zu Jahresbeginn, bleibt abzuwarten. Zudem sind damit die Einbrüche der letzten Jahre noch nicht ausgeglichen.
Pharma-Entwicklung mit Sondereffekten
Auch in der pharmazeutischen Industrie sanken die Umsätze um 44 Prozent auf rund 4,6 Milliarden Euro. Hierbei sind Sondereffekte zu berücksichtigen, da in den Jahren zuvor eine große Nachfrage nach Impfstoffen zu hohen Umsatzzahlen geführt hatte. Laut einer VCI-Umfrage ist die Mehrheit der Pharma-Unternehmen jedoch mit der aktuellen Lage zufrieden und die Erwartungen sind deutlich positiver als im klassischen Chemie-Geschäft.
Kunststoffwarenverarbeiter und Gummiwarenhersteller
Auch die Kunststoffverarbeiter und Gummiwarenhersteller haben mit rückläufigen Zahlen zu kämpfen. Umsatz und Produktion gingen gegenüber dem Vorjahr um jeweils 11 Prozent zurück. Als größte Kostenbelastung werden die Strom- und Gaspreise sowie die hohen Löhne genannt, gefolgt von der Bürokratie. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung sind auch hier die Unternehmer bei Investitionen zurückhaltend.
Ausblick 2024 – Keine Entwarnung
Die weitere Entwicklung der Branche ist von Unsicherheiten geprägt und die Stimmung in den Betrieben hellt sich nur langsam auf. Die erhoffte Trendwende ist nicht in Sicht und erste Unternehmen reagieren bereits. Eine Verbände-Befragung unter den Mitgliedern in Rheinland-Pfalz im Februar 2024 hat ergeben, dass Industrie abwandert: 22 Prozent der befragten Firmen haben bereits Teile der Produktion verlagert, 11 Prozent wollen dies im Jahr 2024 tun und weitere 17 Prozent bereiten sich auf Verlagerungen vor.
Vor dem Hintergrund der Transformation, der strukturellen Krise und der schlechter werdenden Rahmenbedingungen in Deutschland wird sich auch die chemische Industrie verändern und anpassen. Die bisher bekannten Geschäftsmodelle, die stark auf den Export ausgerichtet sind, funktionieren so nicht mehr.
Ausbildung: Stabil auf hohem Niveau
Jedes Jahr werden die Ausbildungsbetriebe der Chemie-, Pharma- und Kunststoff verarbeitenden Branche zur Lage der Berufsausbildung, des dualen Studiums und zu Förderprogrammen für junge Menschen befragt. Das Ergebnis zeigt ein steigendes Angebot an Ausbildungschancen sowie eine sichere Übernahmechance in der gesamten Branche.
Stärkste Säule ist die duale Berufsausbildung
Die Ausbildungsbetriebe haben ihr Angebot an Ausbildungsplätzen im Jahr 2023 nochmals gegenüber 2022 erhöht und damit einen neuen Rekord-Wert der letzten 10 Jahre geschaffen. Von den rund 1.390 angebotenen Plätzen entfallen 1.132 auf die duale Berufsausbildung. Fast alle der angebotenen Plätze wurden besetzt, doch besonders in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen oder im IT-Bereich finden sich nicht immer genügend Bewerber.
Ebenso stiegen das Angebot an dualen Studienplätzen (133 Stellen) sowie das Angebot zur Förderung und Integration von jungen Menschen, die für einen erfolgreichen Ausbildungsverlauf vorbereitet werden sollen (122 Stellen).
Ausblick: Ausbildung bleibt zentral
Knapp 90 Prozent der Betriebe planen, ihre Angebote an Berufseinstiegen zu halten oder auszubauen. Wer seine Prüfung erfolgreich beendet, wird in der Regel vom Betrieb übernommen. Dies zeigt die Übernahmequote von 94 Prozent.