„Wer immer in dieselbe Richtung schaut,
übersieht seine Chancen. Glück finden wir oft dort,
wo wir es nicht vermuten.“ Coach und Mentraltrainerin
Dr. Brigitte Wolter
Frau Dr. Schlatter, Sie beschreiben Ihren Ansatz mit „begeistern“. Nun hat die Betriebswirtschaftslehre mit vielen Vorurteilen zu kämpfen: trockene Materie, unverständliche Theorien, in einem Semester mal eben abgehandelt. Was sagen Sie denn dazu?
Dass BWL weder trocken noch unverständlich ist. Jeder von uns praktiziert BWL im Privaten. Damit ist BWL nicht theoretisch, sondern vielmehr im Zentrum unserer Haushaltsführung. BWL wird dann spannend, wenn wir uns die unternehmerische Realität anschauen. Wie zum Beispiel werden unternehmerische Entscheidungen getroffen?
Das fragen sich sicherlich viele Mitarbeiter. Von ihnen wird ohnehin immer öfter unternehmerisches Denken erwartet. Was verstehen Sie unter diesen Begriffen?
Unternehmerisches Denken und Handeln heißt zum Beispiel, dass ich betriebswirtschaftliche Begriffe und Kennzahlen in einen Zusammenhang einordnen kann. Und dass ich verstehe, was mir diese Kennzahl und die Ausprägung dieser Kennzahl sagt. Dass ich weiß, welche Erkenntnisse abzuleiten und welche Entscheidungen sinnvoll sind. Genau diese Fähigkeit wird in den Trainings vermittelt.
Auf Unternehmen bezogen heißt dies, dass ich verstehe, warum welche unternehmerische Entscheidung zu treffen ist. Zudem heißt unternehmerisches Denken und Handeln, dass ich in der Lage bin, verantwortungsvoll zu handeln … mir also über die Konsequenzen meiner getroffenen Entscheidung bewusst bin und die Auswirkungen abschätzen kann.
Was nehmen die Teilnehmer dann im Idealfall aus Ihrem Seminar mit in den Arbeitsalltag?
Momentan ist es ‚in‘, betriebswirtschaftliche Begriffe in Gespräche einzustreuen, ohne ihre Bedeutung zu kennen oder verstanden zu haben. Das passiert den Teilnehmern nicht mehr. Sie werden erkennen, wer Ahnung hat und wer nicht. Zudem lernen sie, betriebswirtschaftliche Begriffe in einen übergeordneten Kontext einzuordnen. Und diese dann auf das Unternehmen, für das sie arbeiten, herunter zu brechen.
Vor allem vermittelt das Seminar den Teilnehmern Sicherheit in betriebswirtschaftlichen Diskussionen. Und sie erkennen, wie wichtig es ist, Begriffe und Kennzahlen sachkundig zu hinterfragen.
Das Seminarfeedback zeigt, dass Ihnen das gelingt. Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Wie übertragen Sie Ihre Begeisterung für BWL auf die Teilnehmer?
Die Teilnehmer werden im Seminar förmlich dazu ermuntert, dass Nachfragen in der BWL sehr wichtig ist. Sie erkennen sehr schnell, dass man in der BWL aufpassen muss, Äpfel nicht mit Birnen zu vergleichen.
Das verdeutliche ich gerne mit zwei Zitaten. Erstens: ‚Traue keiner Zahl, deren exakte Berechnung Du nicht kennst.‘ Bei der Interpretation von Ergebnissen kommt es immer auf den Kontext an. Und zweitens: ‚Sage nie zu einem Controller, er sei ein Buchhalter - und umgekehrt. Beide fühlen sich auf den Schlips getreten.‘ Besser, Sie suchen aktiv das Gespräch mit dem Controller und lassen Sie sich Begriffe präzisieren, um sicherzustellen, dass Sie beide vom Gleichen reden. Letzten Endes profitiert Ihre Arbeit davon.
Die häufigsten Teilnehmerfragen
- Weshalb werden eigentlich Geschäftsbereiche geschlossen, die profitabel sind?
- Warum werden nicht-profitable Produkte oder Geschäftsbereiche beibehalten?
- Weshalb verlagern so viele Unternehmen Standorte ins Ausland?
- Was steckt konkret hinter den hohen Personalkosten, die Deutschland nachgesagt werden?
- Weshalb beschäftigen viele Unternehmen Fremdfirmen? Das lohnt sich doch unter dem Strich nicht.
Das Interview führte Stefanie Lenze. Es erschien zuerst im Programmheft des AGV Chemie 2018.