„Die Sprache ist gleichsam der Leib des Denkens.“ Friedrich Hegel
Herr Wege, welcher Weg hat Sie denn von den Brettern, die die Welt bedeuten, auf die profane Bühne der Wirtschaft geführt?
In der Tat, es war ein dramatischer Weg – und auch ein spannender. In der Mitte meines Lebens in meinem Drang nach Selbstständigkeit entdeckte ich die Welt des Business. Trainiert an den Charakteren von Moliere, Shakespeare und Goethe liebe ich die Menschen in all ihren Facetten. Das war ein ungewöhnlicher - und ein guter Boden, mich das Wirtschaftsleben zu begeben und dort etwas zu bewegen.
Sie haben eine Schauspielausbildung genossen und sind dann ins Coaching und Training gegangen. Was denken Sie, worin sich Ihre Herangehensweise von der anderer Trainer unterscheidet?
Der Regisseur schaut immer als erstes:
- Wie kommt jemand rüber, wie wirkt er?
- Entspricht die Wirkung der Absicht?
Diese Fragen sind für Menschen in Unternehmen existenziell. Mitarbeiter und Führungskräfte werden nicht nur nach der „Richtigkeit“ ihrer Aussagen beurteilt, sondern oftmals nach der Wirkung ihrer Aussage und ihres Auftretens. Innere Stimmigkeit der Gedanken und Authentizität sind notwendige Voraussetzung.
Dann ist Sprechen können auch Handwerkszeug. Artikulation, Stimmbildung, das Instrument des Sprechens können trainiert werden. So bieten sie für den stressgeplagten beruflichen Alltag die stabile Basis für Meetings und Präsentationen.
Die Ordnung und der logische Aufbau der Gedanken muss gegeben sein und muss auch dem Zuhörerkreis vermittelt werden. Hier hilft eine Neigung zu Philosophie.
Sehen Sie Gemeinsamkeiten zwischen einem Schauspieler und der Rolle, die wir im Arbeitsalltag spielen?
Jeder Mensch steckt in verschiedensten Rollen. Die pflichterfüllte Rolle im Beruf ist vielleicht die Schwierigste.
Für den Auftritt hat jeder Manager – wie jeder Schauspieler – nur seinen Körper und seine Sprache zur Verfügung.
Wie Theaterstücke werden auch Präsentationen manchmal auswendig gelernt.
Und die Frage „Bist Du echt? Meinst Du es ernst?“ trifft dann wiederum den Schauspieler wie auch jeden Mitarbeiter.
Als Schauspieler können Sie Menschen mit einem besonderen Blick beurteilen. Welche Typen an Teilnehmern gibt es?
Grundsätzlich gibt es drei Teilnehmerarten. Für alle ist das Sprechen vor Gruppen eine Herausforderung, die vielleicht mit wachsenden Aufgaben im Beruf stärker auf sie zukommt.
Da gibt es die, die eigentlich gut sprechen können und nur Übung und Feedback brauchen, um ihr Selbstbild mit dem Fremdbild abzugleichen.
Dann gibt es die, die dankbar Methoden aufgreifen, um die eigenen Gedanken in Sprache und Ausdruck zu bringen und diese wirksam anderen mitzuteilen.
Und dann gibt es natürlich immer auch manchmal einen, der schon alles kann…
Wenn Sie einen „Trainer-Wunsch“ frei hätten: Was nimmt ein Teilnehmer aus Ihrem Training idealerweise mit? Haben Sie Top-Tipps für eine bessere Rhetorik?
Mein Geheimtipp: Folgerichtig denken – prägnant formulieren! Unsere Gedanken sind recht flüchtig - und sie wollen "gut durchdacht" sein.
Dann Achtung und Liebe zur Sprache, Mut zu sich selbst und Selbstvertrauen, sich vor eine Gruppe zu stellen und seine Gedanken wirksam zu vermitteln. Das sind Dinge, die sich lernen und trainieren lassen!
In der deutschen Sprache endet jeder Satz mit einem Punkt. Wenn der Redner bei diesem Punkt die Stimme senkt, dann macht er immer eine Pause. Dadurch entsteht eine Aussage, die beim Gegenüber auch als solche ankommt. Das stabilisiert und gibt zugleich den Mut zu sich selbst.
Und ganz profan: Lesen Sie Ihren Kindern mal wieder laut eine Geschichte vor. Und bitte mit Ausdruck. Das macht Ihren nächsten Redebeitrag bestimmt spannender und selbstbewusster.
Das Interview führte Stefanie Lenze. Es erschien zuerst im Programmheft des AGV Chemie 2017.