"Wer Menschen nicht im
Blick hat und sie als Beiwerk
zum eigenen Erfolg betrachtet,
sollte sich für einen anderen
Karriereweg als den der
Führungskraft entscheiden.“
Frau Kurz, Sie sind Wirtschaftspsychologin. Was ist denn der Unterschied zur allgemeinen Psychologie und wie hilft Ihr Fachwissen bei der Beratung von Führungskräften?
Nun bin ich seit über 30 Jahren in der Beratung von Führungskräften tätig. Als Studienschwerpunkt hatte ich damals die Arbeits- und Organisationspsychologie gewählt, dem zu der Zeit einzigen Schwerpunkt, der auf die Aufgabe in der Wirtschaft vorbereitet hat. Neben der Psychologie habe ich auch BWL studiert, so dass sich der Zugang zu den Themen der Industrie sehr schnell ergab. Die aktuellen Beratungskompetenzen sind allerdings Ergebnis weiterer Ausbildungen wie zur systemischen Beraterin.
Was ist das Spannende an Mitarbeiterführung?
Als Führungskraft bin ich gleichzeitig Dienstleister und Mitgestalter des Unternehmenserfolgs. Schon an sich ein Dilemma, da häufig die Führungskraft den Unternehmenszweck und die Unternehmenskultur begrenzt mitsteuern kann. Nicht alle Führungskräfte haben den Einfluss, den Willen oder die Kompetenz, dies zu leisten.
Zudem lässt sich Mitarbeiterführung vergleichen mit „Hausfrauenarbeit“. Wenn alles läuft, dann merkt keiner, was du da leistest. Erst wenn die Organisation und die Struktur hakt, die gesteckten Ziele verfehlt, das Klima gestört, es an wichtigen Ressourcen mangelt, das Miteinander schwierig wird, dann beginnt das Problem. Gesehen wird eine gute Führungskraft selten für ihre Leistung im Hintergrund. Dabei bildet diese Arbeit den Grundstein für ein erfolgreiches Zusammenspiel. Dieses Dilemma ist schwer auszuhalten und der eigentliche Führungserfolg oft nicht in Zahlen sichtbar.
Zudem ist Führen ein immerwährender Prozess. Er beginnt immer bei der Selbstreflektion über die eigenen Ziele, die persönliche Wirkung und deren flexibler Steuerung.
Welche Fragen stellen die Teilnehmer am häufigsten?
Die Themen sind vom Erfahrungshorizont abhängig. Führungseinsteiger beschäftigt viel der Rollenwechsel vom Mitarbeiter zur Führungskraft und die damit einhergehenden Rollenbilder und Handlungsideen. Dann diskutieren wir Führungsvorbilder, Führungsziele, Führungsaufgaben etc. Erfahrene Führungskräfte auf oberem Managementlevel sehen sich mit den internen Unternehmensstrukturen und Kulturen konfrontiert und fragen sich, wie sie verstärkt Einfluss nehmen können. Zunehmend werden dann Konzepte des nachhaltigen Managements der komplexen Systeme im Unternehmen ein zentrales Thema. Alle vereint die Frage, wie sie ihren besten Beitrag liefern können.
Gibt es etwas, dass Sie den Teilnehmern auf den Weg geben möchten?
Der Mensch steht im Mittelpunkt. Mit dieser Einstellung kann sich jeder jeden Tag weiter zu der Führungskraft entwickeln, die sie als Vorbild sein möchte und die sie selbst gerne hätte. Ich begleite Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung leidenschaftlich gerne. Dabei sehe ich ganzheitlich auf die Wechselwirkungen aller Rollen im Leben und stärke persönliche Ressourcen.
Das Interview führte Stefanie Lenze. Es erschien zuerst im Programmeheft des AGV Chemie 2017.