Die Chemie-Produktion sinkt seit Monaten, Anlagen stehen still und eine Abwanderung droht. Die Branche blutet. „Der Brückenstrompreis ist eine geeignete Sofortmaßnahme, um die aktuelle Blutung zu stillen und Unternehmen der energieintensiven Industrien in Deutschland zu halten“, so Dr. Christoph Riemer, CEO der Zschimmer & Schwarz-Gruppe.
Das Chemieunternehmen, welches sich zu 100 % in Familienbesitz befindet, ist ein „Hidden Champion“ – weltweit erfolgreich in verschiedenen Märkten wie Kosmetik, Lederherstellung und -verarbeitung, Fahrzeug- und Maschinenbau sowie Farben und Lacke. An seinem Hauptsitz in Lahnstein beschäftigt das Unternehmen rund 500 Mitarbeitende. Die hohen Energiekosten sorgen für dauerhafte Marktverschiebungen und das wirkt sich auf den Standort aus. Auch die zunehmenden Verbote und Einschränkungen von Chemikalien, vor allem im deutschen und europäischen Wirtschaftsraum, bereiten Dr. Riemer Sorgen.
„Die Chemieindustrie in Europa mit ihrem Portfolio an Materialien, Lösungen und Innovationen spielt eine Schlüsselrolle in der Nachhaltigkeits-Transformation. Es ist entscheidend, dass der Chemieindustrie nicht die Mittel verboten werden, die Lösungen für die großen Transformationen wie zum Beispiel den Green Deal aktiv mitzugestalten“, fasst Dr. Riemer zusammen.
Die zunehmende Regulierungswelle der EU nimmt den Unternehmen die Manövrierfähigkeit hin zu einer nachhaltigeren Entwicklung. „Speziell beim Green Deal und seinen vielen hunderten neuen Regulierungsvorhaben ist eine Pause dringend notwendig, um den Unternehmen die notwendige Luft zum Atmen zu verschaffen“, betont Dr. Bernd Vogler, Hauptgeschäftsführer der Chemieverbände Rheinland-Pfalz.
Aufmerksam hört Karsten Lucke (SPD) zu. Der Europa-Abgeordnete möchte durch solche Unternehmensbesuche verstehen, welche Auswirkungen europäische Politik auf die Industrie in Rheinland-Pfalz hat. Er stimmt zu, dass „die EU-Regulierungen differenzierter erfolgen und das Engagement der Unternehmen besser gewürdigt werden sollten“. Gleichzeitig betont er ein Dilemma für die Politik: „Die Industrie will eine Pause, um Luft zu holen. Der Schutz des Klimas braucht schnelle Fortschritte und zwingt uns zum Handeln. Hier müssen wir einen tragbaren Kompromiss finden.“
Chemie-Industrie ist Partner auf dem Weg zur Nachhaltigkeit
Ein EU-Verbot von Chemikalien und auch ein dauerhaft hoher Energiepreis würden zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland führen. Für den globalen Klimaschutz wäre das kein Erfolg. „Den Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit können wir nur dann erfolgreich begleiten, wenn wir verlässliche Signale erhalten, dass sich Investitionen in Deutschland lohnen. Ansonsten bestimmen andere Regionen das Tempo und wir erhöhen unsere Abhängigkeit“, so Dr. Riemer.
Dass die Zeit drängt, betont Dr. Vogler: „Während die Politik monatelang eine Lösung diskutiert, rechnen die Unternehmen bereits mit spitzem Stift, ob sich der Standort Deutschland überhaupt noch lohnt. Wenn die Entscheidung in den Betrieben für das Ausland erst gefallen ist, kommt jede politische Lösung zu spät.“ Und ergänzt: „Die Chemie-Industrie hat Pläne und Möglichkeiten, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und die Transformation zu gestalten. Dazu sollten Industrie und Politik vertrauensvoll zusammenarbeiten“, betont Dr. Vogler.
Ein Gesprächsangebot, das Karsten Lucke gerne annimmt. Dass bald eine Lösung gefunden wird, kann er nicht versprechen. Zudem sind die Themen für ihn als Abgeordneten vielfältig: Kurz nach dem Termin sitzt er im Flieger nach Afrika. Er wird als Wahlbeobachter der EU tätig sein.