Unternehmen droht uferlose Zoll-Bürokratie

VCI appelliert an EU-Kommission, geplante Zollregeln zu überdenken.

Pläne der Europäischen Kommission für eine Neuregelung des Zollwesens können zu einer massiven Belastung für Unternehmen in Europa werden. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) warnte davor, der im Raum stehende Entwurf für einen Modernisierten Zollkodex würde die bewährte Zoll-Praxis aushebeln und stattdessen unnötige Kontrollhürden errichten. VCI-Hauptgeschäftsführer Dr. Utz Tillmann sagte: „Die Pläne der EU könnten zu einer uferlosen Bürokratie im Zollwesen führen. Exportstarke Unternehmen hätten enormen Mehraufwand, was die Kosten erheblich in die Höhe treiben kann.“

Nicht nur die exportorientierte chemische Industrie sei von den Regelungen betroffen, erklärte Tillmann, sondern auch die von Importen abhängige Inlandsproduktion. Damit seien letztlich die gesamte Wirtschaft und besonders die just-in-time-Produktion berührt. Auch für Kleinstsendungen sind nunmehr schriftliche statt der bisher möglichen mündlichen Zollanmeldungen vorgesehen. Dies alleine kann nach einer Umfrage der Industrie- und Handelskammern zu Mehrkosten von 100 Millionen Euro im Jahr führen.

Die geplanten Neuregelungen gefährdeten die bisherige effiziente Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Zoll. Tillmann forderte: „Die EU-Kommission muss einen Kompromiss zwischen der Sicherheit und den Bedürfnissen einer modernen Wirtschaft finden. Viele Firmen arbeiten Just-in-time und sind deshalb auf pragmatische Zollverfahren angewiesen. Andernfalls bekommen sie einzelne Komponenten nicht rechtzeitig und die Produktion erlahmt.“ Allein in Deutschland gibt es laut VCI im Jahr rund 64 Millionen Zollanmeldungen, die von Unternehmen und der Zollverwaltung abgearbeitet werden müssen.

Hintergrund: Nachdem 2008 der Modernisierte Zollkodex in Kraft getreten ist, bereitet die Europäische Kommission derzeit die zu seiner Umsetzung notwendige Durchführungsverordnung vor. Dabei ist noch immer offen, ob bestehende Vereinfachungen erhalten bleiben oder künftig alle Zollvorgänge einzeln freigegeben werden müssen. Die Vereinfachungen erlauben zum Beispiel, eine Sendung anzunehmen, ohne die Zollbehörde sofort einzuschalten. Solche Vereinfachungen sind eine wichtige Voraussetzung für eine reibungslose Just-in-time-Produktion. Die Kommission will außerdem beim Import und beim Export wesentlich kompliziertere Regeln für die Bestimmung des Warenursprungs einführen, wovon tausende Zollvorgänge betroffen wären. Und es ist vorgesehen, dass künftig alle Kleinstsendungen vorher anzumelden sind. Die EU begründet die Maßnahmen unter anderem mit der Notwendigkeit der Terrorismusbekämpfung.

Nach Einschätzung des VCI kann die Neuregelung im Zollwesen zu 9 Millionen zusätzlichen Zollanmeldungen führen. Durch die verschärften Pflichten würden zudem die Verfahrenskosten steigen. Und die Neuregelung verschlechtere objektiv die Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen, wodurch der Standort EU an Attraktivität verliere. Die Pläne widersprechen laut VCI daher auch der Europa 2020-Strategie, mit der die Kommission die Standortbedingungen eigentlich verbessern will.