Gesetzgebung zu Bioziden muss vereinfacht werden

Anlässlich der laufenden Novelle der Biozid-Richtlinie fordert der Verband der Chemischen Industrie (VCI) von den EU-Institutionen eine deutliche Vereinfachung der Zulassung für Biozid-Produkte.

Gesetzgebung zu Bioziden muss vereinfacht werden

Dr. Gerd Romanowski, Geschäfts­führer Wissenschaft, Technik und Umwelt im VCI, erklärte hierzu: "Wenn unsere Gesellschaft ihren hohen Gesundheits- und Hygienestandard halten will, brauchen wir eine große Bandbreite an bioziden Wirkstoffen. Das ist inzwischen nicht mehr gewährleistet. Viele Wirkstoffe werden nicht mehr hergestellt, weil das Zulassungsverfahren für die Unternehmen zu bürokratisch und zu teuer ist. Die notwendige Bandbreite, um Resistenz­probleme zu vermeiden, ist deshalb nicht mehr vorhanden. Wir erwarten, dass sich alle Institutionen der EU eine deutlich einfachere Gesetzgebung auf die Fahnen schreiben", betonte Romanowski.

Biozid-Produkte schützen als Desinfektions- oder Schädlingsbekämpfungsmittel vor gefährlichen Krankheiten oder ihren Überträgern, wie zum Beispiel Ratten, Insekten, Pilze oder Mikroben. Sie werden auch zum Schutz leicht verderblicher Materialien eingesetzt. Die EU-Kommission schätzt den Marktwert für Biozide in Europa auf bis zu 1,5 Milliarden Euro.

Seit die Biozid-Richtlinie im Jahr 2000 in Kraft getreten ist, sind rund zwei Drittel der ursprünglich knapp 1.000 Biozidwirkstoffe vom Markt verschwunden. Viele Hersteller verzichteten aus Kostengründen darauf, ihre Wirkstoffe dem aufwändigen Prozess zu unterwerfen. Zwischen 3 bis 5 Millionen Euro kostet die Erstellung der notwendigen Unterlagen für einen Wirkstoff.

Eine gravierende Schwachstelle der derzeitigen Biozid-Richtlinie ist, so der VCI, dass die Verfahren der Wirkstoffprüfung und Produktzulassung zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten nicht harmonisiert sind. Dadurch entstanden langwierige Abstimmungsprozesse unter den verschiedenen nationalen Behörden. Sie führten dazu, dass seit Einführung der neuen Regelungen in der EU vor gut zehn Jahren praktisch keine Biozid-Produkte zugelassen wurden.

Um dieses Problem zu beheben, hat die EU-Kommission im Juni 2009 einen Vorschlag für eine neue einheitliche Biozid-Verordnung vorgelegt. Darüber stimmt das Parlament jetzt in erster Lesung in Brüssel ab. "Wir begrüßen den Vorstoß des Parlaments für eine Gemeinschaftszulassung und hoffen, dass ihn die Abgeordneten geschlossen unterstützen. Ein einheitliches Verfahren mit gleichen Standards in Europa ist überfällig", unterstreicht Romanowski. Allerdings stecken in dem Vorschlag aus Sicht der deutschen Chemie auch etliche Probleme: So soll etwa die Gemeinschafts­zulassung erst im Jahr 2017 für alle Biozid-Produkte anwendbar sein. Dieser Termin sei viel zu spät gesetzt, urteilt Romanowski, weil sich ein Großteil der Biozid-Produkte dann bereits im Zulassungsverfahren nach dem alten, nicht praktikablen Muster befinden würden. "Verbesserungen sind hier deshalb sofort notwendig und nicht erst in sieben Jahren", fordert der VCI-Geschäftsführer.

Für besonders problematisch hält der VCI die Auffassung von Teilen des Parlaments , dass Wirkstoffe mit bestimmten Eigenschaften von vorneherein vom Zulassungsverfahren ausgeschlossen werden sollen. Diese politische Position kann der Chemieverband nicht nachvollziehen. Er befürchtet, dass dadurch  Wirkstoffe wegfallen, die zur professionellen Anwendung, etwa im Seuchenschutz, notwendig sind. Romanowski: "Bei den künftigen Regelungen sollte nicht nur der Schutz vor Bioziden berücksichtigt werden. Brüssel sollte auch den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt durch genügend wirksame Biozid-Produkte nicht aus dem Blick verlieren."

Positiv beurteilt der VCI dagegen die vom Parlament vorgeschlagenen Vereinfachungen. So sollen Biozidprodukte mit ähnlicher Zusammensetzung in Zukunft gemeinsam in einer so genannten Rahmenformulierung zugelassen werden. Dies sei eine wichtige Verbesserung gegenüber den bestehenden Regelungen und komme insbesondere mittelständischen Unternehmen mit einer breiten Produktpalette zu Gute.

Änderungsvorschläge zum Verordnungsvorschlag der Kommission werden derzeit auch im Ministerrat diskutiert. Rat und Parlament müssen sich dann in zweiter Lesung auf eine gemeinsame Position einigen.