"Entspannung ist in unserer beschleunigten Welt ein wichtiger Ausgleich.
Wir sollten vielleicht wieder öfter bewusst handeln, statt nur auf den
allgemein empfundenen Druck zu reagieren." Astrid Wilhelm
Frau Wilhelm, was hilft Ihnen, gut zu schlafen?
Wenn ich zufrieden bin, mit dem, wie mein Tag gelaufen ist, fällt es natürlich leichter, loszulassen und den Tag gut ausklingen zu lassen. Am Abend mache ich meistens noch einen ausgiebigen Spaziergang mit meinem Hund. Das macht den Kopf frei und hilft mir, eine gesunde Distanz zu den Ereignissen des Tages zu bekommen. Den eigenen Körper spüren und bewusst mit allen Sinnen die Umgebung wahrnehmen ist ein angenehmer Kontrast zu unserem kopflastigen Alltag.
Abstand zu schaffen zu dem, was uns in unserem Tun im Alltag antreibt ist nach meiner Erfahrung eine wichtige Voraussetzung, um gut zu schlafen. Sie haben es selbst erwähnt, dass unser Gedankenkarussell uns gelegentlich wach hält. Wer gut loslassen und sich entspannen kann, kommt leichter in den Schlaf und wacht erholter auf. Die Übungen im Seminar zielen daher zumeist darauf ab, Denkschleifen zu unterbrechen und die eigene Entspannungsfähigkeit zu verbessern.
Aussteigen aus dem Gedankenkarussell - wie geht das?
Hilfreich sind zum Beispiel Achtsamkeitsübungen, bei denen man übt, den Fokus von einem Problem weg zu lenken und sich auf bestimmte Sinneswahrnehmungen zu konzentrieren. Aber auch andere Entspannungsübungen wie Progressive Muskelentspannung oder Entspannungsübungen mit Bewegung wie Yoga oder Qi Gong kommen in Frage. Wichtig ist die Übungen zur Routine - also regelmäßig geübt werden und zu einem passen. Jeder entspannt sich auf seine Weise am besten.
Für den Arbeitgeberverband geben Sie auch das Seminar „Resilienz“. Darin gehen Sie auf Resilienzfaktoren ein und erkunden mit den Teilnehmenden, was uns in Balance hält. Gehört Schlaf dazu?
Zunächst: Resilienz bedeutet nicht, dass wir unverwundbar sind. Sondern vielmehr, dass wir mit dem, was gerade schwierig für uns ist, gesund umgehen und Wege finden, damit klar zu kommen. Resilienz bedeutet aus meiner Sicht auch nicht, sich noch weiter zu "optimieren", um noch mehr aus sich heraus zu holen, sondern eher die Einsicht, dass wir auch mit unseren ganz individuellen Grenzen das Beste aus dem machen können, was uns gegeben ist.
Gesunde Grenzen sind wichtig, um nicht durch die eigene Getriebenheit wesentliche Dinge aus dem Blick zu verlieren. Ein gutes Maß von Engagement und Ausgleich sind wichtig für die eigene Balance. Gestörter Schlaf ist oft ein Zeichen dafür, dass diese Balance gestört ist.
Sie sind auch „Stressmanagerin“. Nun weiß man, dass guter Schlaf den Stresspegel senkt. Was macht guten Schlaf aus?
Im Schlaf finden wichtige Regenerationsprozesse statt. Unter anderem wird das Stresshormon Cortisol abgebaut und sogar stressbedingte Zellschäden im Schlaf repariert. Also funktioniert die Systematik in beide Richtungen - erholsamer Schlaf senkt den Stresspegel - ein zu hoher Stresspegel verhindert erholsamen Schlaf. Darum ist das Thema Stressmanagement ein wesentlicher Bestandteil des Seminars zur Förderung des besseren Schlafs.
Schichtarbeitende stehen vor einer besonderen Herausforderung, erholsamen Schlaf zu bekommen. Sie arbeiten mit Mitarbeitern auf Schicht. Was ist Ihre Erfahrung?
Schichtarbeit ist in der Tat mit dem Risiko verbunden, dass der Schlaf weniger erholsam ist oder auch Schlafstörungen auftreten. Die meisten Schichtarbeitenden, die ich zum Teil auch in Seminaren in der Nachtschicht besuche, haben schon viele gute Strategien, was beispielsweise gute Einschlafhilfen oder äußere Schlafbedingungen angeht. Allerdings gibt es immer wieder gerade auch durch den Austausch dazu neue Ideen und Erkenntnisse, die für den Einzelnen durchaus hilfreich sind.
Das Interview führte Stefanie Lenze. Es erschien zuerst im Programmheft des AGV Chemie 2020.
Zum Weiterlesen
- Emotionale Führung (Daniel Goleman)
- Der Chef, den ich nie vergessen werde (Alexander Groth)
- Im Alltag Ruhe finden (Jon Kabat Zinn)