Ohne verlässliche Planung gibt es keine Investitionen in die Transformation

Bernd Vogler zur energiepolitischen Tagung der IGBCE.

Bernd Vogler - Hauptgeschäftsführer der Chemieverbände Rheinland-Pfalz

Bernd Vogler - Hauptgeschäftsführer der Chemieverbände Rheinland-Pfalz

Die Welt ist seit Ende Februar eine andere geworden: Sowohl wirtschafts-, als auch sicherheits- und energiepolitisch muss sich Deutschland neu aufstellen. In der Folge von Sanktionen setzen unsichere Lieferketten und ungekannt hohe Energiepreise sowohl private Haushalte als auch die deutsche Industrie massiv unter Druck.

Mit der Kampagne „Zeitenwende gestalten“ will die IGBCE gemeinsam mit Sozialpartnern und Politik weiter aktiv nach Lösungen suchen, um eine Rezession zu verhindern und die Industriearbeitsplätze in Deutschland zu halten. 

Hierzu hat die IGBCE Rheinland-Pfalz/Saarland rund 100 Betriebsratsmitglieder und ehrenamtliche Spitzenfunktionäre zu ihrer energiepolitischen Tagung im Erich-Schott-Centrum der SCHOTT AG nach Mainz eingeladen, um gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Verbänden und Wirtschaft über die Auswirkungen der Energiekrise zu diskutieren. Gewerkschaft, Betriebsräte, Wirtschaft und Politik sind sich einig, dass es einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf allen Ebenen bedarf, um unter veränderten Bedingungen als Industriestandort erfolgreich zu bleiben.

Roland Strasser, Landesbezirksleiter der IGBCE Rheinland-Pfalz/Saarland: „Wir befinden uns in einer ernsten Situation und leben in bewegten Zeiten. Als Zukunftsgewerkschaft übernehmen wir Verantwortung in der Krise und Transformation. Es liegt an uns die Zeitenwende zu gestalten und eine schleichenden Deindustrialisierung zu verhindern! Besonders wichtig ist, die Konsequenzen für die Beschäftigten abzufedern. Es braucht jetzt wirksame Maßnahmen, um Menschen zu entlasten und Industriearbeitsplätze zu schützen. Mit dieser Tagung wollen wir der Politik einen Einblick geben, wie die Zeitenwende uns fordert und welche Forderungen wir als IGBCE stellen, damit wir gemeinsam die Zeitenwende im Sinne der Beschäftigten gestalten.“

Dr. Bernd Vogler, Hauptgeschäftsführer Chemieverbände Rheinland-Pfalz: „Aktuell kämpfen die Unternehmen mit den gestiegenen Gas-, Strom- und Rohstoffkosten. Krise ist Zeit fürs Machen und genau das passiert momentan in unseren Firmen. Das Management und die Beschäftigten in der chemischen Industrie leisten momentan herausragendes, um diese schwierigen Zeiten zu meistern. Die Politik ist gefordert, passende und flexible Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Planungssicherheit bietet. Zwingend erforderlich ist eine Strom- und Wasserstoffinfrastruktur, die die Verfügbarkeit der nötigen enormen Mengen erneuerbarer Energien gewährleistet, und zwar zu einem international wettbewerbsfähigen Preis. Ohne eine solche verlässliche Planung wird es die nötigen Investitionen in die Transformation nicht geben. Das gemeinsame Ziel ist klar: Wir wollen die aktuelle Krise überwinden, den Klimaschutz voranbringen und gleichzeitig ein international wettbewerbsfähiges und erfolgreiches Industrieland bleiben.“

Alexander Schweitzer, Staatsminister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz:

„Wir erleben eine Zeit der Unsicherheiten, die geprägt ist von der Gleichzeitigkeit gleich mehrerer Krisen und großer Herausforderungen. Gemeinsam wird es uns gelingen, diese Krisen und Herausforderungen zu bewältigen. Wir verfügen über ein solides ökonomisches Fundament, eine starke Sozialpartnerschaft und bewährte Instrumente zur Krisenbewältigung. Darauf können und müssen wir nun aufbauen und durch entschlossenes Handeln den Menschen und den Betrieben eine verlässliche Perspektive geben. Das gilt einerseits mittel- und langfristig bei der Gestaltung der vielfältigen Transformationsprozesse, es gilt aber auch kurzfristig bei der Bewältigung der Energiekrise. Darum ist es jetzt wichtig, dass die Entlastungen der Bundesregierung nun schnellstmöglich bei den Betrieben ankommen.“

Dr. Frank Heinricht, Vorstandsvorsitzender der SCHOTT AG: Wir sind mittendrin in einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformation, die uns vor ungekannte Herausforderungen stellt. Zusätzlich sorgt der russische Angriffskrieg für eine tektonische Verschiebung drastischen Ausmaßes und zu Verwerfungen auf dem Energiemarkt, der die energieintensiven Unternehmen erheblich belastet und in der Existenz bedroht. Wir sind für eine internationale Wettbewerbsfähigkeit auf bezahlbare Energie angewiesen. Weiterhin benötigen wir eine Wasserstoff- und Erneuerbare-Energie-Strategie und stabile Infrastruktur.

Diese Krise birgt zusätzlich auch ein erhebliches gesellschaftliches Spaltungspotential. Aus diesen Gründen muss uns die Transformation gelingen und wir wollen gemeinsam mit der IGBCE und Politik den Industriestandort Deutschland transformieren, erhalten und stabilisieren. Hierzu brauchen wir eine Allianz aus Politik sowie Sozialpartnern und einen Masterplan Transformation. Dabei sollten wir die Fragen beantworten, wie wir die Herausforderungen der Transformation angehen wollen und wohin wir uns entwickeln möchten. Wir können Krise und Wandel, weil wir gemeinsam handeln.

Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IGBCE: „Mit dieser Zeitenwende stehen wir vor einer riesigen Gestaltungsaufgabe und wir dürfen nicht unsere Zukunftsperspektive aufgeben. Durch den russischen Angriffskrieg hat sich die Lage in Deutschland sozial und wirtschaftlich deutlich verschärft. Wir müssen sofort die Menschen unterstützen, die sich die steigenden Kosten vor allem für Energie nicht mehr leisten können und verhindern, dass in der Energiekrise industrielle Strukturen sowie gute Arbeitsplätze dauerhaft zerstört werden. Weiterhin müssen jetzt die Weichen gestellt werden, um die Transformation in unseren Branchen, im Interesse der Beschäftigten und der gesamten Gesellschaft voranzutreiben.

Bei allen technischen Neuerungen sind am Ende die Menschen die Schlüsselakteure, ohne die es keine erfolgreiche Transformation geben wird. Die Angst der Menschen ist das schlechteste Fundament, auf dem Innovation stehen kann. Dieser Wandel wird nur gelingen, wenn er sozial gerecht, demokratisch und ökologisch nachhaltig gestaltet wird.“

Hans Jürgen Mundorff, Betriebsratsvorsitzender SCHOTT AG Mainz: „Die Unternehmen der Glasindustrie sind von den aktuell dramatischen Energiepreissteigerungen schwer getroffen und fürchten um ihre Investitionsfähigkeit in die Transformation sowie in die Arbeitsplätze der Zukunft. Die Gaspreisbremse verschafft gerade den Bürgern und den energieintensiven Unternehmen wieder eine notwendige Perspektive und muss zügig umgesetzt werden. Die Kopplung der Hilfen an Standort- und Transformationsvereinbarungen finden wir als Betriebsräte sehr wichtig, damit auch die guten Industriearbeitsplätze bei uns erhalten bleiben. Wichtig für das Gelingen der Mammutaufgabe Transformation ist es, dass alle wichtigen Akteure wie Gewerkschaften, Arbeitgeber und Politik an einem Strang ziehen, um den Menschen die notwendigen Entlastungen in dieser Krise zu eröffnen.“

Ralf Runge, Betriebsrat Villeroy und Boch AG Merzig: Ich finde es wichtig, dass die IGBCE die Megatrends Transformation und Zeitenwende offensiv angeht. Wir sind als energieintensive Branche in hohem Maße von einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung abhängig und daran hängen viele gute Industriearbeitsplätze. Neue Technologien fallen nicht vom Himmel. Eine Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff ist nicht über Nacht möglich und bedarf großer Anstrengungen. Daher ist die Politik auf den unterschiedlichen Ebenen in der Verantwortung. Sie muss für Klarheit und Verlässlichkeit in der Transformation sorgen. Dazu gehört das setzten klarer Rahmenbedingungen und Zielvorgaben und die Bereitstellung von umfangreichem Finanzmittel. Nur in einem Mix aus öffentlichen und privaten Mittel können die erforderlichen Milliarden Investitionen für Infrastrukturmaßnahmen, Forschung und Entwicklung, Qualifizierung oder Beschäftigungssicherung aufgewendet werden.