Chemie-Unternehmen richten sich neu aus
Aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine kam es zu sprunghaft steigenden Energiepreisen und globalen Produktionsschocks. Dies hat die energieintensive Chemie-Branche besonders hart getroffen.
In der Folge fuhren viele Betriebe die Produktion runter und setzten Sparmaßnahmen um: Raumtemperaturen wurden gesenkt, die Beleuchtung reduziert und die Anlagen noch weiter optimiert. Für die benötigte Prozesswärme stellten Unternehmen teilweise auf bivalenten Betrieb um (Gas/Öl oder Kohlestaub). Die Mehrkosten konnten nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden.
Die statistischen Zahlen sind entsprechend zu bewerten. So hat die chemische Industrie im Jahr 2022 einen Umsatz von insgesamt 36,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das sind rund 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig gingen die Produktion um 13 Prozent und die Aufträge um 20 Prozent zurück. Die Zahl der Beschäftigten blieb mit rund 46.000 nahezu konstant (+0,5%). Vergleichbare Entwicklungen gab es bei den Verarbeitern von Gummi- und Kunststoffwaren.
Die Pharma-Branche konnte 2022 einen Umsatz von rund 8,3 Milliarden Euro verzeichnen, was einem Plus von rund 30 Prozent entspricht. Das ist maßgeblich auf den Einfluss der Impfstoffproduktion zurückzuführen. Die Zahl der Beschäftigten stieg um 2% auf 11.000.
Aussichten unsicher
Der Januar 2023 endete gegenüber dem Vorjahresmonat mit einem Umsatzminus in der Chemie- und Pharma-Branche mit jeweils -8,6% bzw. -55,3%. Die Gummi- und Kunststoffwarenhersteller konnten den Umsatz um 1% steigern. Produktion und Aufträge zogen in den ersten beiden Monaten des Jahres 2023 in den Chemiebetrieben zwar wieder an, blieben aber deutlich unter den Vorjahreswerten. Bei Pharma hingegen gibt es hier keinen positiven Trend.
Trotz sinkender Energiepreise bleibt die Konjunktur in der Chemie ohne Dynamik, da das Preisniveau noch deutlich höher ist als in anderen Ländern. Die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standorts hat sich verschlechtert. Inwiefern die Talsohle erreicht ist, kann für Rheinland-Pfalz nicht sicher prognostiziert werden. Denn die aktuelle Lage spiegelt nicht nur einen konjunkturellen Einbruch wider, sondern einen umfassenden strukturellen Wandel.
Struktureller Wandel durch hohe Energiepreise beschleunigt
Die Transformation der Branche schreitet voran und die Unternehmen richten sich neu aus. Für eine klimaneutrale und im Kreislauf geführte Wirtschaft bietet die chemische Industrie nicht nur ein enormes Potential – ohne Chemie ist dieser Wandel schlichtweg nicht umsetzbar. Aufgrund des Gas- und Ölpreisschocks hat sich der Zeitraum der Neuausrichtung deutlich verkürzt. Parallel zu dem strukturellen Wandel sind die chemisch-pharmazeutischen Betriebe wie kaum eine andere Branche belastet.
Zunehmende Regulierungen, steigender Kostendruck und die Konzentration auf Wachstumsmärkte führen zu Umstrukturierungen und auch Verlagerungen von Produktion. Daneben investieren die Betriebe an zukunftsfähigen Standorten in alternative Energien und nachhaltige Produktionsprozesse.
Gewinnung von Fachkräften wird zunehmend zum Problem
Digitalisierung, neue Produktionsverfahren und Kreislaufwirtschaft – die Chemie-Industrie benötigt Fachkräfte. Laut Erhebungen des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland-Pfalz steigerten die Betriebe 2022 die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze auf einen neuen Höchststand seit 10 Jahren. So wurden 1.347 Ausbildungsplätze angeboten – mit sehr guten Chancen für technische und naturwissenschaftliche Berufe. 96 Prozent der Azubis werden übernommen.
Doch nicht alle Ausbildungsplätze können besetzt werden. Ausbildungsstellen in den Betrieben bleiben leer, weil geeignete Bewerber fehlen. Der Nachwuchs reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken. Die Unternehmen spüren den demografiebedingten Rückgang bei den Schulabgängerzahlen.
Umsätze 2022 Rheinland-Pfalz
in ausgewählten Branchen in Mio. Euro