Berufskompass Chemie 2019

Locker ging es zu beim Berufskompass Chemie in Frankenthal. Die vertraute Atmosphäre und das  professionelle Programm wurden viel gelobt. Wichtiger aber war, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende des Tages wertvolle Anregungen und Informationen mit nach Hause und in den Betrieb nehmen konnten.

Dass eine formale Weiterbildung dem beruflichen Werdegang nochmal Schwung gibt und verschiedene Aufstiegsmöglichkeiten bietet, ist unumstritten. Doch die Weiterbildung ist wie ein Dschungel: Ein Dickicht mit scheinbar unendlich vielen Pfaden. Daher sollte man seinen Weg zum Ziel sorgsam planen. Und am Ende solcher Planungen steht immer die Frage: Hilft es mir bei meiner beruflichen Entwicklung?

Welcher Weg ist der Richtige?

„Es gibt sehr viele Angebote für Fortbildungen. Vom Tagesseminar bis zur ganzjährigen Veranstaltung reicht die Bandbreite“, erzählt Michael Csenda auf der Bühne. Die rund 40 Azubis hören dem Leiter des Zentrums für Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz (IHK) gespannt zu. Csenda erklärte ausführlich, worauf die Fortbildungswilligen achten sollten, wenn sie sich mit Präsenzveranstaltungen, Webinaren und Selbststudium beschäftigen.

„Es kommen zunehmend jüngere Menschen zu uns, um sich weiterzubilden. Viele wollen die demografische Entwicklung für sich nutzen, um beruflich Fortzukommen.“ (Michael Csenda)

Besonders im Kontext des zunehmenden Fachkräftemangels gewinnt die Weiterbildung für junge Generationen zunehmend an Bedeutung. Denn die Unternehmen suchen qualifizierte Mitarbeiter, die bei den Megatrends wie Digitalisierung und Globalisierung die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes sichern. Neben dem Abwägen der Vor- und Nachteile einer Weiterbildung rät Csenda dazu, auf die Vergleichbarkeit der Abschlüsse zu achten. Diese sind zum Beispiel bei allen IHKs bundeseinheitlich. Eine länderspezifische Gewichtung, wie sie zum Beispiel bei Schulabschlüssen vorgenommen wird, gibt es nicht. Zudem ging Csenda auf die europäische Vergleichbarkeit der formalen Abschlüsse ein – wertvolles Wissen für alle, die sich auch außerhalb Deutschlands bewerben wollen. So legt der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) verschiedene Qualifikationsniveaus fest und schafft damit innerhalb der Europäischen Union eine verbindliche Orientierung. Die Ausbildung zum Meister entspricht zum Beispiel dem Niveau 6 von 8. Ausführliche Informationen gibt es online unter https://www.dqr.de.

„Wer Beruf, Familie, Freizeit und Finanzen im Rahmen einer Weiterbildung erfolgreich koordiniert, zeigt auch Qualitäten bei seinem Organisationstalent.“
(Michael Csenda)

Eine große Hürde für viele Fortbildungswillige ist die Frage der Kosten. Doch hier gibt es vielfältige Unterstützung. So fördern die Betriebe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Bedarf im Betrieb. Und es gibt das Aufstiegs-Bafög, Boni und Darlehensnachlässe. Auf dem Rechnungszettel kann das so aussehen (Prüfungsgebühren und Reisekosten sind bei der Aufstellung nicht berücksichtigt):

Industriemeister Chemie

5.600 EUR - Lehrgangskosten
./. 2.240 EUR - 40% Aufstiegs-Bafög 
./. 1.344 EUR - 40 % Darlehenserlaß
./. 1.000 EUR - Aufstiegsbnous
= 1.016 EUR - REST

Best Practice: Studium oder Meisterprüfung?

Die Arbeitswelt wandelt sich ständig, was auch an neuen Ausbildungsberufen erkennbar ist. Mit der fortschreitenden Digitalisierung wird auch klar, dass eine qualitativ hochwertige Aus- und
Weiterbildung ein zentrales Element in der Berufswelt von Morgen ist. Doch müssen jetzt alle ein duales Studium beginnen? „Die klassische Techniker- oder Meisterausbildung ist ebenso möglich, wie ein duales Studium“, betont Dr. Maximilian Kern vom Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz.

Mit dem Berufskompass, so Kern, bieten die Chemie-Sozialpartner den jungen Menschen eine wichtige Orientierung, wie es weitergehen kann. Im Mittelpunkt der Veranstaltung in Rheinland-Pfalz steht daher der praktische Bezug. In diesem Jahr waren es vier junge Herren, die über ihre Erfahrungen berichteten. Dazu wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in vier Gruppen aufgeteilt. An den verschiedenen Tischen gab es jeweils 15 Minuten Gespräche zwischen den Gruppen und den Best-Practice-Referenten.

Florian Saile absolvierte sein Masterstudium Engineering. Unterstützung bekam er von seinem Arbeitgeber – Renolit in Worms. Dennoch gab es Herausforderungen. Als richtig anstrengend empfand er die Pendelei zwischen Wohnort und Studienort. Doch er sprach auch über die Vorteile, neben dem Beruf studiert zu haben: Er hatte ausreichend Geld zum Leben, und immer einen Praxisbezug zur Theorie in den Vorlesungen. Zudem konnte er sich im Unternehmen besser nach einer Anschlussbeschäftigung umhören.

Auch Christoph Westbomke wurde von seinem Betrieb, Zschimmer & Schwarz in Lahnstein, unterstützt. Er absolvierte eine Fortbildung zum Keramiktechniker. Ausbilder und Geschäftsführung haben die Fortbildung positiv aufgenommen und ihn darin bestärkt. Für Westbomke bedeutet die Fortbildung ein hohes persönliches Investment an Frei- und Familienzeit. Auf die Frage, was er das nächste Mal anders machen würde, antwortete er dennoch: „Mehr Zeit nehmen und nicht alles irgendwie reinquetschen“.

Carsten Mengel von der Chemischen Fabrik Budenheim meinte, dass es kein richtig oder falsch gäbe auf die Frage, ob das Bachelor- oder Master-Studium das Bessere sei. „Dies muss jeder für sich entscheiden, auch in Abhängigkeit von Unternehmen und Familie“, ist er überzeugt. Er hatte sich für ein berufsbegleitendes Studium zum Management-Master entschieden. Sein Tipp: Erstelle Dir eine Liste mit allem, was Dir persönlich wichtig ist. Dann gleiche es mit dem Angebot des Unternehmens ab. Mengel hat keine finanzielle Unterstützung von seinem Betrieb gewollt, obwohl es diese gegeben hätte. Er hatte die Studienkosten selbst getragen, um frei bei der Wahl des Studiums und der beruflichen Fortbildung zu sein. Genossen hat er aber die Teilzeit-Arbeit mit flexiblen Arbeitszeiten, um die Vorlesungen besuchen zu können.

Den Industriemeister Chemie setzte sich Moritz Weber zum Ziel. Bei den ersten Überlegungen drehte sich bei ihm alles um die Frage, ob es ein Fernstudium werden solle oder eine Fortbildung vor Ort. „Bei der Ausbildung stehen die Eltern noch dahinter. Die Fortbildung hingegen ist eine Entscheidung, die man selber fällen muss“, gibt er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des ‚Berufskompass Chemie‘ mit. Weber, der beim Pharmaunternehmen AbbVie tätig ist, fokussierte sich bei seinem Bericht auf die Notwendigkeit des Work-Life-Balance und er sprach auch die Kosten an, die mit der Meisterfortbildung verbunden waren.

„Warum machst Du das? Würdest Du das wieder so machen? Was hat sich für Dich im Betrieb geändert? Wer macht die Arbeit, die im Betrieb dann liegen bleibt?“ - Insgesamt gab es viele Fragen und auch Anmerkungen. Ein Teilnehmer, heute Ausbildungsleiter, hatte damals selber eine solche Fortbildung durchlaufen. Er ist begeistert über die Unterstützung, die es heute von den Arbeitgebern gibt. Sie nimmt viele Sorgen ab, so seine Meinung. Er betont aber auch, dass die Herausforderung der Eigenmotivation nicht abgenommen werden kann. Da die Eigenmotivation stark mit dem Lernerfolg zusammenhängt, gab Dr. Myriam Schlag dazu wertvolle Tipps:

Deine Strategie zum Lernerfolg – Oder auch: Wenn man schon lernt, kann man es auch richtig machen

Karteikarten, Notizen machen, Unterstreichen oder ein MindMap gestalten – das sind Beispiele für Lernstrategien. Es sind Werkzeuge, die einen dabei unterstützen, sein Lernen einzuspeichern, im Gedächtnis zu behalten und es dann abzurufen, wenn man es braucht. Doch es gibt beim Thema Lernen auch einige Missverständnisse. Viele denken, dass Lernen einfach ist und überschätzen sich. Dabei ist es ein Unterschied, ob man etwas liest und den Inhalt verstanden hat und ihn nachvollziehen kann oder etwas wirklich gelernt hat.

„Lernen bedeutet, die Informationen im Gehirn zu verankern. Sonst gehen sie wieder verloren. So wie ein einsamer Gast, der die Party vorzeitig verlässt“ (Dr. Myriam Schlag)

Ebenfalls problematisch ist die Überzeugung, alles mit Hilfe einer einzigen Lernstrategie lösen zu können. Beim Heimwerken zuhause würde man ja auch nicht alles mit dem Hammer machen. Lernstrategien müssen zur Aufgabe passen, die man bearbeiten möchte. Möchte man etwas auswendig lernen oder etwas anwenden?

Dennoch gibt es Lernstrategien, die sich für viele Altersgruppen und für verschiedenen Lernstoff als sehr effektiv gezeigt haben, wie eine Gruppe um den US-amerikanischen Psychologie-Professor John Dunlosky 2013 herausgefunden hat: Das verteilte Lernen und die Verwendung von Selbst-Tests.

Verteiltes Lernen bedeutet, dass man nicht am Abend vor der Prüfung alles auf einmal lernt, sondern sein Lernen über mehrere Tage verteilt. Dies verlangt natürlich ein gutes Zeitmanagement, um regelmäßige Lernphasen einzuhalten. Sich selbst immer wieder durch Abfragen zu testen, ist eine weitere gute Möglichkeit zu lernen. Schließlich weiß man erst, ob man etwas gelernt hat, wenn man es auch ganz frei aus dem Gedächtnis abrufen kann.

Zwei Prozesse, die beide für das Lernen wichtig sind, die man jedoch unterscheiden sollte, sind das Informationsmanagement und der Wissensaufbau. Beim Informationsmanagement handelt es sich um einen kurzzeitigen und oberflächlichen Prozess, der eingehende Informationen sortiert: Brauche ich diese Information? Sollte ich mir das aufschreiben für später?

Anders sieht es beim Wissensaufbau aus, der viel mehr Zeit in Anspruch nimmt. Es geht darum, sich Information für längere Zeit zu merken und sie tiefer zu verarbeiten, um das Wissen flexibel einsetzen zu können. Wann man welchen der beiden Prozesse einsetzt, ist abhängig vom eigenen Lernziel.

Wer effektiv lernen möchte, sollte auf die notwendigen Ressourcen achten. Dazu gehören neben Lernort und Lernzeit (Wann und wo lerne ich am Besten?) auch Experten, Mentoren und Coaches. Sie können den Lernprozess inhaltlich oder strukturell unterstützen. Sich mit anderen Lernwilligen zu treffen und auszutauschen ist ebenso eine Möglichkeit, um sich gegenseitig zu unterstützen. Hierbei ist es egal, ob sie das gleiche lernen oder ähnliche Lernbedingungen haben. Diese Unterstützung kann auch aus dem privaten Umfeld von Freunden und der Familie kommen - Menschen, die einem sowohl emotional als auch mit Rat und Tat zur Seite stehen, falls man doch mal in stressige Lernphasen gerät.

„Denken Sie schon früh an einen SOS-Plan. Bitten Sie rechtzeitig um Hilfe und Unterstützung, wenn viel zu lernen ist“, betonte Myriam Schlag eindringlich. Wer lernt, sollte auch an seine Gesundheit denken und Zeit für Sport und genügend Schlaf einplanen, der das Lernen zusätzlich unterstützt. Auch um Arbeitsmaterialien wie Bücher, Vortragsfolien, Skripte oder Aufgaben zur Prüfungsvorbereitung sollte man sich nicht erst kurz vor der Prüfung kümmern, sondern diese gleich zu Beginn von Kursen oder Unterricht besorgen. Denn so kann man auch kurze Lernphasen optimal nutzen.