Besser schlafen und sich erholen bei Schichtarbeit
Jeder sechste Beschäftigte in Deutschland arbeitet im Schichtdienst und muss sich auf wechselnde Arbeitszeiten einstellen. Und trotz aller Bestrebungen der Arbeitgeber, die Schichtpläne zu optimieren, bleibt die Schichtarbeit eine Herausforderung für den Organismus. Denn es bedeutet, entgegen der inneren Uhr zu schlafen und wach zu bleiben. Im Seminar der Chemieverbände Rheinland-Pfalz werden den Beschäftigten Methoden und Praxistipps vermittelt, wie Schichtarbeit und erholsamer Schlaf besser in Einklang zu bringen sind.
„Der Schlaf nach der Nachtschicht wird immer kürzer“, meint ein Seminarteilnehmer. Je älter er werde, desto früher werde er wach. Im Seminarraum sitzen 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Mitgliedsbetrieben des Arbeitgeberverbandes Chemie Rheinland-Pfalz. Frauen und Männer, die in Schicht arbeiten und über ihre Herausforderungen berichten. Einige haben nur wenige Probleme, andere spüren die Folgen des Schichtdienstes deutlicher. Alle haben gemeinsam, dass ihnen der erholsame Schlaf fehlt. Sie sind auf der Suche nach Tipps, wie sie vor, während und nach der Schicht fit bleiben können.
Durchgeführt wird das Seminar von Astrid Wilhelm. Seit vielen Jahren ist sie Trainerin für gesunde Führung, Work-Life-Balance sowie Arbeitssicherheit durch mehr Achtsamkeit. Sie versteht die Herausforderungen des Schichtdienstes. Zum Beispiel das Gedankenkarussell einiger der Teilnehmer: Eigentlich müssen sie schlafen, da der nächste Tag bereits um vier Uhr beginnt. Doch wenn die Gedanken darum kreisen, dass man jetzt dringend schlafen müsste, kommt man oft einfach nicht zur Ruhe.
Die Belastungen durch die Schichtarbeit sind verschieden. Dies ist auch abhängig von der individuellen Chronobiologie. Diese beschreibt, wann der Mensch seine guten Phasen voller Produktivität erlebt und wann er müde ist.Man unterscheidet dabei in zwei Typen – Eulen und Lerchen. Während die Lerchen die Frühaufsteher sind, entwickeln die Eulen eher am Abend die beste Leistungsfähigkeit. Wer seinen eigenen Chronotyp kennt, kann seinen Tag besser einteilen oder besser auf die Folgen der Schichtarbeit reagieren.
Tipps für einen gesunden Schlaf
Einige liegen auf den Matten. Andere sitzen auf den Stühlen. Die Augen sind geschlossen und die Beine ausgestreckt. Es ist ruhig im Raum. Es ist so still, dass das Vibrieren eines Handys zu hören ist. „Und dann stellen Sie sich drauf ein, dass wir langsam die Übung beenden und wieder bewusst hier im Raum ankommen." Wenn sie die Klangschale hören, kommen sie wieder zurück…“ Die ruhige Stimme gehört der Trainerin Astrid Wilhelm. „Der Schlaf ist das Gesundheitselexier, das bei der Regeneration hilft“, betont sie und führt im Seminar Ruhe- und Entspannungsübungen mit der Gruppe durch.
Dazu werden die Stühle zur Seite geräumt und die Isomatten ausgerollt. Wer keine Isomatte mitgebracht hat, der übt auf dem Stuhl weiter. Wer Probleme beim Schlafen hat, bekommt durch die Übungen ein hilfreiche Tipps, um sich dennoch gut zu erholen. Neben den praktischen Übungen erläutert Wilhelm die gängigen Hinweise zum Tagschlaf: Das Schlafzimmer sollte möglichst gut durchgelüftet, dunkel und still sein. Wer in einem lebhaften Haus wohnt, kann sich mit Gehörschutz behelfen. Um den Körper nach der Nachtschicht auf den Tagschlaf einzustimmen, hilft es, auf dem Weg nach Hause eine Sonnenbrille aufzusetzen. Denn Licht macht wach und die die Sonnenbrille reduziert diese Wirkung spürbar. Zudem sollte man auf Kaffee oder vergleichbare anregende Getränke vor dem Schlafengehen verzichten. Wer häufiger unter Schlafstörungen leidet, der sollte ein Schlafbuch führen. So bekommt man einen besseren Überblick und kann gegensteuern. Denn nicht immer ist der Grund die Schichtarbeit. Es können auch verschleppte Probleme und Konflikte sein.
Entspannung vs. „Ärgerprogramm“
Schlaf hilft Stress abzubauen und zu entspannen. Daher sind Entspannungsübungen ein wesentlicher Teil des Seminares, das speziell nur für Schichtarbeiter-/innen angeboten wird. Neben den Übungen rät Wilhelm den Teilnehmern, sich bewusst Zeiten ohne „Input“ zu schaffen, um zur inneren Ruhe zu bekommen.
Besonders in der heutigen multimedialen Welt gibt es zu viele Informationen, die gleichzeitig an uns herangetragen werden. Das verleitet dazu, keinem der Themen die volle Aufmerksamkeit zu schenken, sondern von einem zum nächsten zu "springen". Die vielen Themen in schnellen Wechseln lassen uns nicht zur Ruhe kommen und sind ein Grund für innere Unruhe und Schlaflosigkeit. Wenn dann noch Ärger am Arbeitsplatz hinzu kommt, kann dies zu einer negativen Denkschleife im Sinne eines Gedankenkarussells führen, bei der man sich in das Problem hineinsteigert. Dieses „Ärgerprogramm“ kann dazu führen, dass wir uns nicht mehr richtig erholen.
„Wenn unser Stress-System aktiviert ist, denken wir nicht mehr rational. Unser Denken ist eingeengt auf das, was uns stresst. Anhaltender Stress kann zu Burnout führen. Daher ist es wichtig, immer für genügend Ausgleich und Erholung zu sorgen“, so Wilhelm. Die progressive Muskelentspannung ist eine Möglichkeit, des Stressausgleichs und kann helfen, aus dem negativen Gedankenkarussell auszusteigen. Entspannungsübungen, wie zum Beispiel Qi Gong, können zudem als Aktivierungsübungen im Nachtdienst eingesetzt werden. Wie das funktionieren kann, ist Bestandteil des Seminares.
Link-Tipp:
Weitere Hilfen für Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter bietet die BKK – Broschüre: Besser leben mit Schichtarbeit. Das PDF ist frei zugänglich unter der Webadresse: https://www.bkk-dachverband.de/gesundheit/gesundheitsfoerderung-selbsthilfe/betriebliche-gesundheitsfoerderung-bgf/besser-leben-mit-schichtarbeit/
Auf die Gesundheit achten
Gesunder Schlaf ist nur ein Aspekt, betont Astrid Wilhelm. Auch wenn Beschäftigte die Flexibilität der Schichtarbeit schätzen und gut damit umgehen können, sollten sie auch in anderen Bereichen auf die eigene Gesundheit achten. Eine achtsame Ernährung gehört dazu. Bei schwerer körperlicher Arbeit braucht man schon eine gewisse Grundlage - also ausreichend kalorienreiches Essen, um genug Energie für die Arbeit zu haben. Da die Verdauung in der Nacht aber deutlich weniger aktiv ist, wird schweres Essen in der Nachtschicht schlechter verdaut. Das wiederum sorgt für Müdigkeit und Gewichtszunahme. Daher sollte insbesondere in der Nachtschicht auf leichte Kost geachtet werden.
Regelmäßige Kontrollen der eigenen Fitness sind ebenso wichtig. Dazu bieten die gesetzlichen Krankenkassen regelmäßig Gesundheits-Checks an. Zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr ist dieser einmalig kostenfrei. Ab dem 35. Lebensjahr kann dieser Check alle drei Jahre und ab dem 50. Lebensjahr jährlich kostenfrei durchgeführt werden. Auch Menschen, die sich wohl fühlen und keine Beschwerden haben, sollten diese Service in Anspruch nehmen, um rechtzeitig Veränderungen zu erkennen und diesen zu begegnen.