Die neue IED-Richtlinie baut auf der aktuell gültigen auf, die rund 50.000 große Industrieanlagen in Europa betrifft. Diese Anlagen und Betriebe müssen durch den Einsatz von tätigkeitsspezifischen „besten verfügbaren Techniken“ (BVT) Emissionsauflagen erfüllen. Die BVT werden gemeinsam von der Industrie, Experten der Mitgliedstaaten sowie der Kommission und der Zivilgesellschaft bestimmt.
Besonders relevant sind die derzeit geplanten neuen Voraussetzungen für die Genehmigung von Industrieanlagen, z.B.:
- Anstatt sich mit den oberen BVT-Grenzwerten zu begnügen, wie derzeit bei den meisten der Anlagen der Fall, muss künftig bei den Genehmigungsverfahren geprüft werden, ob die optimale Leistung erreicht werden kann.
- Die Unternehmen werden verpflichtet, ein Umweltmanagementsystem (UMS) für jede einzelne Anlage einzuführen.
- Zusätzlich müssen die Unternehmen in Zukunft auch sogenannte Transformationspläne (hin zur Treibhausgasneutralität) erstellen.
Weitere Änderungen betreffen die Behandlung vertraulicher Daten, vereinfachte Klagemöglichkeiten und die Einführung verbindlicher Leistungskennziffern. Jede neue Anforderung für sich genommen scheint geeignet zu sein, das Null-Schadstoff-Ziel zu unterstützen. In der Summe machen sie aber unternehmerisches Handeln in der EU deutlich komplexer und unberechenbarer als bisher, zumal viele Überschneidungen mit anderen Rechtgebieten wie REACh und Emissionshandel (ETS) entstünden. Die Pläne lassen befürchten, dass Aufwand und Zahl von Fachgutachten weiter steigen werden. Das alles wird die Genehmigungsverfahren noch weiter in die Länge ziehen; Planungen und Investitionen und letztlich die gewünschte Transformation der europäischen Industrie gefährden. So ist es weder für Behörden noch für Unternehmen handhabbar, für jede Anlage ein verbindliches Umweltmanagementsystem einzuführen. Auch die „Transformationspläne“ werden den Transformationsprozess nicht beschleunigen. Die angedachten Änderungen werden vielmehr dazu beitragen, dass sich erstens die Transformation der Industrie erheblich verlangsamt. Zweitens werden Investitionsentscheidungen zugunsten anderer Regionen ausfallen.
Die neue IED-Richtlinie darf den Bestandsschutz für bestehende Industrieanlagen, die für mehrere Jahrzehnte geplant und gebaut wurden, nicht aushebeln! Darauf müssen die Unternehmen vertrauen können. Für Unternehmen muss sichergestellt sein, dass sich ihre langfristigen Investitionen in Europa auch künftig lohnen werden. Die Neufassungen der IED bringen jedoch Unsicherheiten und führen zu Standortnachteilen.
Der Europäische Rat „Umwelt“ hat kürzlich seine Verhandlungsposition zur Überarbeitung der Industrieemissionsrichtlinie festgelegt. Aus Sicht des VCI gehen die Ratsvorschläge in die richtige Richtung und zeigen, dass unsere großen Bemühungen im Prozess nicht ohne Gehör verhallt sind. Auch wir in Rheinland-Pfalz haben uns für eine pragmatische Novellierung ausgesprochen. So wurde z.B. der Fachbeirat Chemie am Klima- und Umweltministerium (MKUEM) umfassend informiert, zumal die dort vertretenen Behörden die zusätzliche Bürokratie bei steigender Rechtsunsicherheit ebenfalls nicht befürworten können. Dies hat sich u.a. zu einer eher industriefreundlichen Positionierung des Bundesrats beigetragen.
Der Europäische Rat lehnt dann auch den Vorschlag der EU-Kommission in Teilen ab. Die Vorschläge des EU-Rats enthalten Verbesserungen, die beispielsweise das Offenlegen der Genehmigungsunterlagen im Internet und die Anforderungen an die Energieeffizienz betreffen. Auch beim Umweltmanagement, den Umweltleistungsgrenzwerten sowie beim Thema Kompensationen hat der EU-Rat „Umwelt“ nachgebessert.
Der VCI sieht in der Ratsposition eine sachgerechte Perspektive, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industriezweige wie der Chemie zu wahren. Allerdings sind die vorgeschlagenen Änderungen noch nicht wirksam, da das Trilog-Verfahren noch aussteht. Kritisch ist zudem jedoch, dass eine Entkopplung von Umweltmanagementsystem und Genehmigungsvoraussetzung nicht gelöst wurde.
Die Vorschläge des EU-Rats „Umwelt“ im Einzelnen:
- Es soll nicht mehr jede IED-Genehmigung im Internet veröffentlich werden, auch nicht die Zusammenfassung der Genehmigung.
- Für Anlagen, die unter den Emissionshandel fallen, sollen keine Umweltleistungsgrenzwerte in Bezug auf Energieeffizienz festgelegt werden müssen.
- Der Detaillierungsgrad des Umweltmanagementsystems soll abhängig von der Komplexität der Anlage sein.
- Die neue Grenzwertsetzung soll abgeschwächt werden: Statt möglicher Grenzwerte sollen jetzt die strengsten erreichbaren Grenzwerte festgelegt werden.
- Außerdem soll die Umsetzung in den Mitgliedstaaten durch allgemeine verbindliche Regeln erfolgen können, in Deutschland z.B. durch die TA Luft.
- Neu ist: Die Mitgliedstaaten haben für den Fall einer Krise, die zu einer schwerwiegenden Unterbrechung oder Engpässen in der Energieversorgung oder wesentliche Ressourcen, Materialien oder Ausrüstungen führt, eine Ausnahme vorgeschlagen.
- Nichtregierungsorganisationen sollen Schadenersatzansprüche für Gesundheitsschäden nicht mehr einklagen können. Auch die Beweislastumkehr soll entfallen.
- Es werden Übergangsvorschriften eingefügt. So sollen zum Beispiel Umweltleistungsgrenzwerte bei Bestandsanlagen vier Jahre nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen festgelegt werden.
- Die Elektrolyse von Wasser zur Herstellung von Wasserstoff soll nicht unter die IED fallen, wenn die Produktionskapazität nicht mehr als 60 Tonnen pro Tag beträgt.
Nun wird die Position des EU-Parlaments mit großer Spannung erwartet, zumal in der aktuellen Legislatur dort meist keine industriefreundliche Haltung eingenommen wurde. Anschließend bleibt die letzte Hürde zu nehmen: die Trilog-Verhandlungen, Ausgang derzeit ungewiss….